Große Liebe St. Peter-Ording
Nicht nur für Gäste sondern auch für Einwohner:
Was bedeutet das für die Tourismusakzeptanz?
St. Peter-Ording ohne Tourismus? Ganz im Gegenteil, die rund 3.800 Einwohner sind sich der Vorzüge des Tourismus mehr als bewusst – sei es die Pflege und Instandhaltung der Rad- und Wanderwege, die Dünentherme, das Erlebnis-Hus oder das vielfältige Einzelhandels- und Gastronomieangebot. St. Peter-Ording bietet für einen Ort dieser Größe eine sehr hohe Angebotsvielfalt, die es ohne den Tourismus in dieser Ausprägung nicht geben würde. Die Weite des Strandes, die gute Luft, die Ruhe und Beschaulichkeit in der einzigartigen Natur sind nicht nur für die Gäste zentrale Besuchsanreize. Diese Aspekte prägen auch die überdurchschnittlich hohe Lebensqualität der Einheimischen – insgesamt 58 % der St. Peteraner mit Hauptwohnsitz gaben in einer repräsentativen Befragung des Deutschen Instituts für Tourismusforschung an der FH Westküste im Sommer 2024 an, eine hohe bis sehr hohe Lebensqualität zu haben.
„Einmal St. Peter, immer St. Peter. Und das ist wirklich so, wenn du dich einmal in St. Peter verliebt hast, dann gehst du da auch nicht wieder weg“ – ähnliche Aussagen sind mehrfach gefallen in den Fokusgruppeninterviews, die ebenfalls im Rahmen des Forschungsprojektes durchgeführt wurden. Eine außerordentlich hohe Wohnortverbundenheit, ein großer Stolz, in diesem besonderen Ort leben zu dürfen, und die Identifikation mit St. Peter-Ording prägen das Leben der Einwohner.
Gleichzeitig gibt es eine hohe Frustration und auch eine gewisse Angst, dass der Ort mit der Geschwindigkeit der touristischen Entwicklung nicht mithalten kann. Während Ältere das Gefühl haben, dass der Zusammenhalt immer mehr verloren geht, sehen die Jüngeren wenig Gründe, hier wohnhaft zu bleiben – und dies liegt nicht nur an der Wohnraumproblematik, sondern auch an dem fehlenden Wir-Gefühl, dem Vereinssterben, der Überalterung des Ortes und dem unzufriedenstellenden Angebot für die jüngere Zielgruppe. Vermisst werden insbesondere Treffpunkte für Einheimische, aber auch Veranstaltungen wie die Kirmes, das Dorffest oder die 650-Jahr-Feier, die für viele Bürger ein absolutes Highlight darstellen – auch im Sinne des Gemeinschaftsgefühls und des Zusammenhalts.
Zur Zukunft des Ortes gehört natürlich der Tourismus – darin sind sich die Einwohner einig; und das nicht nur wegen der enormen wirtschaftlichen Bedeutung (insgesamt stimmen 81% zu, dass dieser ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für St. Peter-Ording ist), sondern auch aufgrund der positiven Effekte, die der Tourismus mit sich bringt. Gleichzeitig sind sich die Einwohner ebenso einig, dass es in dem Tempo der letzten Jahre so nicht weitergehen kann, denn hier traf eine touristische Entwicklung im Überholmodus auf mangelnde Umsetzungsgeschwindigkeit in der Politik.
Dies hat nicht nur zur Folge, dass der Ort und die Infrastruktur teilweise nicht entsprechend mitwachsen konnten und es insbesondere in den Sommermonaten zu Überfüllungstendenzen kommt, sondern auch, dass sich bei engagierten Bürgern Resignation breit macht, weil sie das Gefühl haben, nicht gehört zu werden. Mut, Verantwortung, eine konstruktive Streitkultur und eine klare strategische Ausrichtung im Sinne einer Vision sowie die dafür notwendige Umsetzungsbereitschaft – das wünschen sich die Einwohner von St. Peter-Ording für die Zukunft ihres Ortes. Denn sie fragen sich zunehmend „Wohin will der Ort denn eigentlich?“
Man müsse den Mut haben, Veränderungen nicht nur als Herausforderung, sondern als Chance zu sehen. Das heißt auch, die Komfortzone zu verlassen, neue Dinge auszuprobieren, vielleicht auch mal ein Risiko einzugehen und keine Angst vor dem Scheitern zu haben – diesen Veränderungswillen vermissen die Befragten. Die Verantwortung und die Veränderungsbereitschaft liegt dabei jedoch nicht nur bei den politischen und touristischen Akteuren, sondern auch bei den Einwohnern selbst.
Die Attitüde „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“, die nicht nur in St. Peter-Ording, sondern als allgemeiner gesellschaftlicher Wandel zu beobachten ist, muss abgelegt werden. Auch das eigene Verhalten und Handeln muss kritisch hinterfragt werden – so die Teilnehmer der Fokusgruppeninterviews. „Die Annehmlichkeiten des Tourismus gerne wollen, aber die Touristen nicht mögen“ – diese Eigenbeanspruchung des Ortes trägt nicht dazu bei, St. Peter-Ording für Einheimische lebenswert und für Gäste liebenswert zu machen.
Eine reflektierte Einstellung und das Bewusstsein, einen besonderen Ort teilen zu dürfen hingegen schon. Dazu gehört aber gleichzeitig, den Bürgern zuzuhören, die wahrgenommenen (mentalen) Belastungen durch das touristische Aufkommen sowie die Bestrebungen einer global nachhaltigen Kommune ernst zu nehmen und unbedingt partizipative Ansätze zu verfolgen, um die enormen Potentiale des Ortes zukunftsfähig zu nutzen. Dabei ist zu beachten, so Dr. Sabrina Seeler vom DI Tourismusforschung, die das Forschungsprojekt federführend umgesetzt hat, dass man sich nicht mit Maßnahmen übernimmt und dann Gefahr läuft, dass durch Überforderung in der Umsetzung Stillstand eintritt.
Vielmehr brauche es einen zielgerichteten Maßnahmenplan, der je nach Komplexitätsgrad und Umsetzungsmöglichkeit zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Zielen unterscheidet und die Anliegen aller Stakeholder berücksichtigt. Eine offene und transparente Kommunikation, ein wertschätzender Umgang miteinander und eine ehrliche Reflektion seien dabei zentral. Tourismus ist eine Gemeinschaftsaufgabe und die Umsetzung einer touristischen Entwicklung im Einklang mit der einheimischen Bevölkerung ist nicht nur Aufgabe der touristischen Akteure, sondern aller Beteiligten.